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Bewegungsmangel an Ganztagsschulen

| Redaktion

Laut Sportwissenschaftlerin Miriam Kehne besteht bei Kindern an Ganztagsschulen akuter Bewegungsmangel.

Die Paderborner Sportwissenschaftlerin Miriam Kehne sieht zwar das Recht auf ganztägige Betreuung von Grundschulkindern grundsätzlich positiv, weist aber auf einen Mangel an Bewegungsangeboten hin. Die Ganztagsbetreuung fördere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere bei Berufstätigkeit beider Eltern und fördere die Chancengleichheit, sie wirke aber nicht ausreichend dem kindlichen Bewegungsmangel entgegen. Die ganztätige Betreuung führe vielmehr dazu, dass Kinder Freizeitaktivitäten wie Spielen auf der Wiese, Fahrradfahren, Mitgliedschaft in Sportvereinen oder Hobbys wie das Spielen eines Instruments aufgäben, für die bei der früheren Halbtagsschule ausreichend Zeit zur Verfügung stand.

Repräsentative Daten zeigten, dass sich 75 Prozent der Kinder bereits im Grundschulalter weniger als eine Stunde am Tag bewegten. Das bedeute im Umkehrschluss, dass nur eines von vier Kindern sich genug bewege. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehle eine Stunde Bewegung täglich, um einen gesunden Lebensstil zu unterstützen. Sport und Bewegung hätten für die physische Gesundheit hohe Bedeutung, körperliche Aktivität könne die Entwicklung von Kindern ganzheitlich fördern. Die Politik müsse das Ganztags-System entsprechend ausgestalten. Dazu gehöre genügend ausgebildetes Personal; zudem müssten außerschulische Bildungsinstitutionen ausreichend in das Angebot der Ganztagsschulen eingebunden werden. Kinder an Ganztagsschulen müssten weiterhin ihren Hobbys nachgehen können.

Die Sprecherin des Clusters "Ganztag" im "Forschungsverbund Kinder- und Jugendsport NRW" verweist auf ein Positionspapier des Verbunds, in dem es heißt:

Berücksichtigt die Bewegungswünsche der Kinder! Gestaltet bewegte Schulräume! Nutzt Bewegungsangebote im Ganztag! Schafft ein bewegtes Schul- und Ganztagskonzept! Entwickelt bewegte Bildungslandschaften im kommunalen Raum! Fördert die Qualifikation für Bewegung, Spiel und Sport! Und: Sichert die Qualität von bewegten Ganztagsschulen.

Im Interview mit News4Teachers beschreibt sie ihre Idealvorstellung des Schulalltags in der Ganztagsschule:

"In der idealen Welt müssten wir den Alltag an Grundschulen komplett anders rhythmisieren. Das bedeutet, wir würden nicht mehr unterscheiden zwischen einem kognitiven Vormittagsbereich (Deutsch, Mathe, Englisch, Sachkunde und so weiter) und einer Betreuungssituation am Nachmittag. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, die Bewegung und die kognitiven Aspekte im Ganztag zu durchmischen. Wir wissen schließlich durch zahlreiche Studien, dass Bewegung für das kognitive Lernen eine hohe Relevanz besitzt: Auswendiglernen funktioniert besser, wenn man sich bewegt, also durch den Raum läuft. Nach dem Spielen draußen können sich Kinder besser auf ihre Hausaufgaben konzentrieren. Wir könnten Bewegung auch lernbegleitend sehen. Kinder entwickeln sich durch Bewegung, lernen ihre Umwelt kennen. Bewegung bringt viele Vorteile mit sich, und das ist etwas, das wir uns mehr zunutze machen sollten – und das ist aus meiner Perspektive leider immer noch nicht vollends in der Gesellschaft und auch Politik angekommen."

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