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Gesundheit ist kein Geschenk

| Mathias Maurer

Das von Tessin-Zentrum hat am 11. November zu einem Thementag "Gesundheit von pädagogischen Fachkräften" an die Freie Hochschule Stuttgart eingeladen.

Über fünfzig Studierende, Erzieherinnen und Lehrkräfte nutzten das Angebot, das Vorträge, Gesprächsrunden und eine künstlerische Einheit umfasste.

Foto: Judith Stott

Pädagogische Berufe gehören zu den erfüllendsten Berufen überhaupt; sie sind jedoch auch besonders stress- und überlastungsanfällig. Die Ansprüche wachsen von allen Seiten: Eltern werden anspruchsvoller, Kinder "schwieriger", die Folgen unserer zivilisatorischen Lebensweise haben Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit aller Beteiligten. Hinzu kommt ein steigender Betreuungsbedarf und chronischer Personalmangel. Viele Kollegien arbeiten am Rand des Leistbaren. Schule und Kindergarten sollen alles richten und kompensieren, was andernorts versäumt wurde. –

Was braucht es, um nicht unterzugehen und wieder Freude und Kraft aus seiner Arbeit zu schöpfen?

Nicht nur über Gesundheit reden, sondern Gesundes tun: Der Tag beginnt mit Singen. Womit wir mitten im Thema "Erschöpfung verstehen und vorbeugen" sind, denn der Atem, das "richtige" Ein- und Ausatmen, ist, so die Kinder- und Jugendärztin Karin Michael, wie alle rhythmischen Prozesse der Träger der Gesundheit. Karin Michael verdeutlichte die Wichtigkeit der Selbstachtsamkeit, denn der Körper sendet immer Signale über das eigene Unwohlbefinden, wenn er sich nicht in einem gesunden Rhythmus befindet. Da gehört auch das (rechtzeitige) Pausemachen, der Wechsel zwischen Aktivität und Passivität, zwischen Ent- und Anspannung dazu. Also gibt es eine kurze heileurythmische Einlage zur Erfrischung, bevor es weitergeht ...

Das vorgetragene und nachgefragte Themenspektrum ist riesig: Es geht um (zu viel) Medienkonsum, zunehmende Kurzsichtigkeit und die ausreichende Exposition an Sonnenlicht (was alles zusammenhängt!), gesunden tiefen Schlaf und störende Einflüsse, die eine Regeneration verhindern und Lernstörungen verursachen, kalte Füße und Verdauungsprobleme, Wärmehaushalt und Fieber und vieles mehr. Die Fragen der Teilnehmer kommen aus der pädagogischen Praxis und Alltagserfahrung, die Antworten die Michael gibt, sind aus der praktischen Expertise und ihrem anthroposophisch-menschenkundlichen Wissen geschöpft. Zum Abschluss dieser ersten Runde eine Wahrnehmungs-Partnerübung, bevor es in die Pause geht.

Der Nachmittag beginnt mit einer künstlerischen Arbeit zum Thema "Kunst als Heilmittel". Anja Andreae, Heilpädagogin und Künstlerin, erstellt mit den Anwesenden Blindporträts. Die Werke werden anschließend gemeinsam betrachtet. Es wird deutlich: Mit dem Verlust des Sehsinns treten andere Wahrnehmungsdimensionen in den Vordergrund, die auch unsere Vorstellungen von uns selbst verändern. Eine Teilnehmerin treffend: "Wer hätte gedacht, dass wir uns so ins Bild bringen."

Anschließend gibt Karin Michael zahlreiche praktische Heilmittel-Tipps zu den angeschlagenen Themen – zum Beispiel bei Erkältungen, Einschlafstörungen, Nervosität, Konzentrationsschwäche oder Erschöpfungssyndromen – wir erleben sozusagen eine gemeinsame Sprechstunde.

Eine weitere Dimension der "gesunden Schule", des "gesunden Kindergartens" eröffnet Tomáš Zdražil von der Freien Hochschule Stuttgart. Es geht um die Gesundheit in der Gemeinschaft, im Sozialen. Gelten Schulen und Kindergärten einerseits als "Reparaturwerkstätten" für das, was andernorts versäumt oder vernachlässigt wurde, weiß man andererseits durch wissenschaftliche Studien, dass der soziale Kontext, die Qualität der sozialen Beziehungen entscheidend die Gesundheit der Akteure beeinflusst. Tomáš Zdražils Ausführungen umfassen viele Faktoren: die äußere "Hülle" (Architektur, Einrichtung, Farben usw.), die zeitliche Ordnung und die Rhythmen (Tagesablauf, Stundenplan, Jahreszeiten, Pausen usw.), die kommunikativen Kompetenzen (dialogische Gesprächskultur), das Gleichgewicht zwischen gemeinschaftsbildenden und individuell-initiativen Faktoren, die den Akteuren eine seelische Heimat bieten, die biographischen Impulse und identitätsstiftenden "Angebote" und die Pflege "überpersönlicher" Bedürfnisse, Anliegen und Ideale (Visionen), schließlich die Konferenz als das "Herz der Gemeinschaft". Sie münden in dem Spruch Rudolf Steiners an die Pädagogen, in dem es heißt: "... im Geiste sich finden, heißt Menschen verbinden".

Die Frage nach der Gesundheit des Menschen ist heute eine eminent zentrale Frage der persönlichen Sinnfindung geworden, die sich in der Gemeinschaftsbildung erlebt.

Der Thementag ist auf rege Resonanz gestoßen – von Ermüdungserscheinungen keine Spur. Gesundheit ist – das zeigte dieser Tag – kein selbstverständliches Geschenk: Wir müssen sie uns bewusst erarbeiten. Es scheint an der Zeit, dass das Tessin-Zentrum dieses Format und Thema öfters und einem erweiterten Teilnehmerkreis anbietet.