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Ökologie und Nachhaltigkeit macht Schule

Die neue Waldorf-Fachoberschule (FOS) unter dem Dach der Freien Waldorfschule Marburg steht bundesweit allen Schüler:innen offen

1919 schrieb Rudolf Steiner den Waldorfschulen das Motto ins Stammbuch: "Wir müssen den Mut haben, lernend zu arbeiten und arbeitend zu lernen. Anders kommt der Mensch in die Zukunft und in ihre Forderungen nicht hinein." – Die Fachoberschule für Ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Entwicklung in Marburg hat sich auf den Weg gemacht.

Else Winzenburg und Thomas Ziegenbalg

Die Waldorfschule war immer schon dual gedacht. Steiner wollte eine Verbindung von allgemeiner und beruflicher Bildung. In den meisten Waldorfschulen hat sich in der Folgezeit jedoch das musische Gymnasium durchgesetzt. Nur einzelne Schulen, wie die Hiberniaschule in Herne und die Waldorfschulen in Nürnberg und Kassel, haben schon in den 1970er Jahren Werkstätten gegründet, in denen eine Doppelqualifikation möglich war. Mit dem Aufkommen von Waldorf-Berufskollegs ab 2012 in Nordrhein-Westfalen tat sich dann eine neue Möglichkeit auf, duale Bildung zu integrieren, ohne aufwändige Werkstätten zur Verfügung stellen zu müssen. Der Ursprungsimpuls der Waldorfpädagogik wurde hier aufgegriffen, zeitgemäß umgesetzt und eine Möglichkeit geschaffen, berufliche Bildung und Persönlichkeitsentwicklung in einer neuen Weise zu verbinden.
 

Handlungsorientierte Oberstufe und alternative Abschlüsse

Die Gründung einer Waldorf-Fachoberschule (FOS) unter dem Dach der Freien Waldorfschule Marburg soll neben der Gymnasialen Oberstufe mit dem Abschluss Abitur einen alternativen Abschluss im Rahmen einer zwölfjährigen Waldorfausbildung bieten, der zu einer allgemeinen Fachhochschulreife führt. Betriebliche Praxis wird mit theoretischem, fachbezogenem und künstlerisch-kreativem Lernen in einem Bildungsgang verbunden. Als Teil eines differenzierten Oberstufenkonzepts beinhaltet die Fachoberschule wesentliche Teile der Waldorfpädagogik und führt die handlungspädagogischen Impulse der Unter- und Mittelstufe kontinuierlich fort. Fächer wie Handwerk, Gartenbau, Handarbeit und alle praktischen Impulse der ersten Schuljahre werden aufgewertet und finden ihren logischen Abschluss in der Oberstufe. Während am Anfang der Schulzeit die Entwicklungsbedürfnisse der Kinder im Vordergrund stehen, ist an deren Ende die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben das Ziel. Schüler:innen sollen dazu befähigt werden, sich Herausforderungen zu stellen, die eigene Entwicklung selbst zu verantworten und aktiv mitzugestalten.

So besteht für die (Waldorf-)Schüler:innen am Ende der zehnten Klasse eine Wahlmöglichkeit. Wenn sie nicht den gymnasialen Zweig wählen, können sie dennoch weitere zwei Jahre die Waldorfschule bis zur zwölften Klasse besuchen. Damit eröffnet sich auch die Möglichkeit, im Wahlbereich künstlerische Fächer wie Eurythmie, Darstellendes Spiel, Bildende Kunst, Musik, Chor, Orchester und Klassenspiel wahrnehmen zu können. Hier kommen Schüler:innen beider Zweige in einen lebendigen Austausch. In der 11. Klasse sind die Schülerinnen und Schüler vor allem auf Partnerhöfen und absolvieren dort ein einjähriges Praktikum, unterbrochen von insgesamt zwölf Wochen Unterricht in Epochen an der freien Walddorfschule Marburg. Die Klasse 12 findet im Konzept der FOS ganz in der Schule statt und umfasst allgemeinbildenden Unterricht und Fachunterricht. Für die Schüler:innen bedeutet die Wahl einer Fachrichtung – wie bei allen Fachoberschulen – keine Festlegung für die Zukunft. Sie erlangen am Ende der 12. Klasse die Allgemeine Fachhochschulreife, durch die sich viele Wege der Ausbildung und des Studiums eröffnen.

Da diese voraussichtlich nur zu einem geringen Anteil aus den bestehenden Klassen der Marburger Schule kommen werden, steht sie bundesweit Schülern:innen aller Schulformen offen, die mit einem qualifizierten Realschulabschluss oder einer entsprechenden Qualifikation kommen.
 

Nicht allen Schüler:innen wird das gymnasiale Angebot gerecht

Die Fachoberschule eröffnet einen alternativen Weg für Schüler:innen, denen die Schule mit dem gymnasialen Angebot nicht gerecht wird. Diese Jugendlichen erleben sich in der Schule oft als unzureichend und ungenügend, mit entsprechenden Folgen für ihre Biographie. Ein differenziertes Angebot an dieser Stelle kann dazu beitragen, in allen Bereichen, auch im gymnasialen Zweig, auf die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Schüler:innen einzugehen und Lösungen für sie zu finden.

Die Fachrichtung Ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Entwicklung ist bewusst gewählt. In Zeiten des Klimawandels spielt eine ökologische Landwirtschaft mit ihrem ganzheitlichen Ansatz eine immer wichtigere Rolle. Die Waldorf-Fachoberschule wird dazu beitragen, junge Menschen in diesem Sinne zu befähigen und sie tut dies am konkreten Beispiel der ökologischen Landwirtschaft. Neben den bereits bestehenden Fachoberschulen für Agrarwirtschaft in Hessen wollen wir den Schwerpunkt auf Ökologische Landwirtschaft und Nachhaltigkeit legen.

"Wir müssen den Mut haben, lernend zu arbeiten und arbeitend zu lernen. Anders kommt der Mensch in die Zukunft und in ihre Forderungen nicht hinein." 

Rudolf Steiner

Waldorfpädagogik versteht sich immer auch als Beziehungspädagogik, was bedeutet, dass die individuelle Entwicklung der Persönlichkeit umso besser gelingt, je mehr sie in stabilen sozialen Beziehungen und unter Begleitung kompetenter Persönlichkeiten stattfindet. Hier übernehmen die Bewohner der Höfe als Praxisbegleiter der Schüler:innen eine wichtige Rolle.
 

Schulstart 2023/24

Zu Beginn des Jahres 2022 hat die Freie Waldorfschule Marburg die Genehmigung der Schulbehörde zur Erweiterung der Schule um eine FOS erhalten. Die FOS wird mit dem Schuljahr 2023/2024 starten und freut sich auf die neuen Schüler:innen.

*Das oben erwähnte Motto stammt aus: Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen, GA 192.

Kontakt

FOS Marburg

Ansprechpartner: Else Winzenburg  | Thomas Ziegenbalg

Projektort: Marburg

Projektzeitraum: mehrjähriges Schulkonzept

Aktivität: duale Bildung, Fachoberschule

Fotos: privat

Salutogenetische Gesichtspunkte

  • Handlungsorientierung
  • Verantwortung lernen
  • an individuellen und gesellschaftlichen Zukunftsperspektiven arbeiten.