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Lernen in offener Landschaft

Gut Loberthal entwickelt eine Handlungspädagogik für die Großstadt

Marcus Erb-Szymanski

Morgens, 7:30 Uhr, in Leipzigs Innenstadt: Ein marodierendes Häuflein verwegener Schulanfänger versperrt zusammen mit einem verschlafenen Hund den Zugang zur S-Bahnstation. Der eine oder andere eilige Fahrgast ist davon nicht amüsiert. Unweit davon plaudern die Eltern der Kinder mit denen, die die Kinder dann unterrichten werden und alle scheinen keine Eile zu haben. Das Trüppchen wird größer, Neuankömmlinge begrüßen sich und dann ganz plötzlich kommt doch noch Bewegung in die Truppe. Zehn nach halb entschwinden Mensch und Tier hastig auf der Rolltreppe in die Unterwelt. Zwanzig Minuten später: Ankunft mit der S-Bahn in dem kleinen Örtchen Rackwitz am Nordrand von Leipzig, Begrüßung weiterer Kinder und nochmal mindestens zwanzig Minuten Fußweg zum gemeinsamen Frühstück auf Gut Loberthal, der im September 2021 neu gegründeten handlungspädagogischen Waldorfschule am Nordrand von Leipzig. Die Dauer dieses Fußweges ist letztlich eine Funktion äußerer Faktoren: Wie viel freilaufende Hühner oder Ziegen sind gerade unterwegs, die mit Hilfe des Hundes von mutigen Kindern wieder eingefangen werden dürfen oder hat es gerade Neuschnee gegeben, so dass zunächst einmal Schneemänner gebaut oder Schneeballschlachten geschlagen werden müssen.

Mit der Region vernetzt

Nein, ein Herrenhaus gibt es nicht auf Gut Loberthal, nur ein paar Container mit vier Klassenzimmern, einer kleinen Küche und sanitären Anlagen – außerdem ein großes ungestaltetes Gelände mit vielen abenteuerlichen Spiel- und Versteckmöglichkeiten, eine alte Baracke mit zerschlagenen Fensterscheiben und eine ehemalige Berufsschule mit einer vergilbten Glasfassade, die den Charme der DDR-Architektur aus den 1970ern verbreitet. "Wir sind Proletarier", meint ein prominenter Handlungspädagoge, der das Team der jungen Schule berät, als er das Schmuckstück zum ersten Mal sieht. Gut Loberthal ist eben kein Name für ein Anwesen, sondern für eine Idee: Die Idee eines Lebensraums, in dem gearbeitet, gespielt und gelernt wird. Kein geschlossener Lebensraum, sondern einer, der in die Umgebung diffundiert durch Kooperationen mit regionalen Einrichtungen wie dem Demeter-Bauernhof "HofGut Kreuma", der benachbarten Korbflechterin, dem ansässigen Sportverein, einer hauseigenen Handweberin und weiteren tatkräftigen Unterstützerinnen und Unterstützern, die beginnen, eigene Werkstätten auf dem Schulgelände zu errichten. Weitere Erstkontakte gibt es zur benachbarten Senioren-Residenz, einem Reiterhof und einem Zimmermannsbetrieb. Soziale Diffusion bedeutet auch die Öffnung von Angeboten für schulexterne Interessentinnen und Interessenten: Warum sollten Nachbars- oder Geschwisterkinder nicht auch bei Tanz und Theaterspiel, beim Korbflechten und beim Sportangebot mitmachen? Zudem arbeitet das Team an der Vision, aus dem Schulgarten einen Gemeinschaftsgarten, aus der Fahrradwerkstatt eine Selbsthilfewerkstatt und aus dem Handarbeitskreis eine offene Textilwerkstatt werden zu lassen. Das ist Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung mit der Region. Darüber hinaus gibt es einmal im Monat gemeinsame Feste mit dem HofGut, öffentliche Thementage zur Handlungspädagogik sowie die bekannten Monatsfeiern mit kleinen Aufführungen oder Präsentationen der Kinder. Das alles immer in Kombination mit Arbeitseinsätzen.

Schule als sozialkulturelles Zentrum

Die Waldorfschule als soziokulturelles Zentrum inmitten einer Aue, der das bachähnliche Flüsschen Lober seinen Namen gibt. Dieses Projekt einer offenen Landschaft ist dem Landkreis Nordsachsen eine großzügige Förderung nach dem Leader-Programm wert gewesen. Auch die Software-und die Clara und Rudolph Kreutzer-Stiftung unterstützen die "Handlungspädagogische Waldorfschule" als Pilotprojekt, als den Versuch, die Handlungspädagogik vom Bauernhof ausgehend auf den Sozialraum zu erweitern. Auf diese Weise soll die Handlungspädagogik für eine voll ausgebaute Großstadtschule zu einer realen Option werden. Lokal hat sich Gut Loberthal deshalb genau an der Grenze zwischen Stadt und Land angesiedelt und die Stadtkinder werden jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln abgeholt. Dorthin werden sie am Nachmittag auch wieder zurückgebracht. Den Schulweg in den Schulalltag zu integrieren, ist pädagogisch unglaublich wertvoll und demonstriert in ökologischer Hinsicht ein lebendiges Nachhaltigkeitsdenken.

Schulwerdung: Von der Idee zur realen Menschengemeinschaft

Die Gründung einer Schule ist wie die Geburt eines Sterns. Aus einer bloßen Idee im blauen Himmel wird nach und nach ein realer Himmelskörper, wenn immer mehr Menschen in den Wirkungskreis seiner Gravitation geraten. Dadurch gewinnt dieser Himmelskörper an Materie und verdichtet sich. Aus einer Idee wird eine Bewegung, die eine ganze Gemeinschaft von Menschen mitvollzieht. Mit dem Eintritt in die Erdumlaufbahn wird aus der schönen Zeit der Schwerlosigkeit des Träumens eine Auseinandersetzung mit der irdischen Schwerkraft: Der niemals enden wollende Gang durch die Ämter und Institutionen und der permanente Tausch von erfüllten gegen unerfüllte Nachforderungen. Aber dieser Prozess ist auch ein Prozess der Erdenreife, mit dem die Idee langsam, ganz langsam an der Erde andockt, wobei sie an Leichtigkeit verliert, dafür aber an Substanz gewinnt.

So oder ähnlich erging es wohl allen, die eine Schulgründung durchgemacht haben. Da bildet Rudolf Steiner keine Ausnahme, als er 1919 die erste Waldorfschule ins Leben rief. Dem Kollegium der ersten Stunde gab er die Worte mit auf den Weg: "Die Waldorfschule muss eine wirkliche Kulturtat sein, um eine Erneuerung unseres Geisteslebens der Gegenwart zu erreichen [...] und die Schulfrage ist ein Unterglied der großen geistigen brennenden Fragen der Gegenwart." Diese Worte verdeutlichen, dass es bei der Gründung der Waldorfschule nicht allein darum ging, die Pädagogik zu reformieren. Doch musste sich Rudolf Steiner eingestehen, und daran werden die Herausforderungen, vor denen alle freien Schulgründungen seit eh und je stehen, offenbar: "Aber wir haben es nötig, Kompromisse zu schließen. Kompromisse sind notwendig, denn wir sind noch nicht so weit, um eine wirklich freie Tat zu vollbringen. Schlechte Lehrziele, schlechte Abschlussziele werden uns vom Staat vorgeschrieben. Diese Ziele sind die denkbar schlechtesten, und man wird sich das denkbar Höchste auf sie einbilden."

Keine fachspezifische "Gedankenlogik" sondern erfahrene "Tatsachenlogik"

Hundert Jahre später darf man getrost fragen, welche der Kompromisse, die zu Steiners Zeiten notwendig waren, heute überhaupt noch geschlossen werden müssen. Manfred Schulze und Peter Guttenhöfer, die Vordenker der Handlungspädagogik, verweisen gern auf die sogenannten "Volkspädagogischen Vorträge" (GA 192, Vorträge 4 bis 6), in denen Rudolf Steiner ein halbes Jahr vor der eigentlichen Schulgründung seine pädagogischen Ideen noch jenseits jeglicher Kompromissbereitschaft formuliert hat. Dort spricht er zu den anwesenden Mitgliedern der anthroposophischen Gesellschaft über den Unterricht in der Unterstufe:

Das wird man lernen müssen, in dieser Zeit den Menschen teilnehmen zu lassen an dem Leben; und Sie werden sehen, wenn wir in dieser Zeit die Bildung so schaffen, daß der Mensch am Leben teilnehmen kann [...], dann kann es so sein, daß wir wirklich den Menschen eine lebendige Bildung beibringen können.

Und über den Unterricht in der Oberstufe sagt er wenig später:

Lebenskunde muß aller Unterricht geben. Zu lehren wird sein auf der Altersstufe vom fünfzehnten bis zwanzigsten Jahre […] alles dasjenige, was sich auf die Behandlung des Ackerbaues, des Gewerbes, der Industrie, des Handels bezieht. […] Dasjenige, worauf es ankommt, das ist, daß wir eine Pädagogik finden, wo gelernt wird, zu lernen, zu lernen sein ganzes Leben hindurch vom Leben. Es gibt nichts im Leben, wovon man nicht lernen kann.

Steiner fordert eine, wie er sie nennt, "proletarische Volkspädagogik", die Kinder und Jugendliche mit praktischen Aufgaben konfrontiert, anstatt sie nach dem bürgerlichen Bildungsideal mit Fach- und Faktenwissen vollzustopfen. Man würde heute von projekthaftem Lernen sprechen, von handlungs- und prozessorientiertem Unterricht, der die Komplexität des Lebens nicht ausblendet, sondern ein lebenslanges Lernen von Problemlösungsstrategien anregt. An Stelle einer fachspezifischen "Gedankenlogik" tritt damit in der Begrifflichkeit Steiners eine durch Selbstwirksamkeit erfahrene "Tatsachenlogik":

Das, was ich jetzt auseinandergesetzt habe in didaktisch-pädagogischer Art für den Volks-Schulunterricht, das wird nach der Tatsachenlogik etwas ganz Bestimmtes im Gefolge haben, nämlich das, daß nichts in den Unterricht hineinspielen wird, was nicht in der einen oder anderen Form für das ganze Leben erhalten bleibt [...]

Folgerichtig braucht eine solche Unterrichtsform keine Menschen mit Fachwissen, sondern Persönlichkeiten, die fest im Leben stehen und darüber hinaus in der Lage sind, eine Beziehung zu den ihnen anvertrauten Kinder aufzubauen:

Denn zu konstatieren wird sein [...], ob der Mensch, der es zu tun hat mit der Erziehung und dem Unterricht werdender Menschen, ob der eine persönlich aktive, für den werdenden Menschen ersprießliche Beziehung zu diesen werdenden Menschen herstellen kann, ob er [...] untertauchen kann in die Seelen und in die ganze Wesenheit des werdenden Menschen. Dann wird er nicht Leselehrer, Rechenlehrer, Zeichenlehrer und so weiter sein, sondern dann wird er der wirkliche Bildner der werdenden Menschen sein können.

Lebendige Beziehungen zwischen Erwachsenen und den ihnen anvertrauten Kindern entstehen gerade dann, wenn gemeinsam Aufgaben gelöst werden. Die Lehrenden sind in dem Fall keine Wissensautoritäten mehr, sondern Vorbilder, die die Kinder an ihren Bemühungen teilhaben lassen, reale Probleme im Leben zu lösen. Deshalb ist das Ende des Fachlehrers zugleich der Anfang einer sozialen Bildung, die die Kinder befähigt, gemeinsam mit ihren Mitmenschen sich den Herausforderungen des gesellschaftlichen Lebens zu stellen:

Daran haben sich die Leute gewöhnt, […] daß sie in ihren Schulen ein Wissen aufgenommen haben und die Aufnahme dieses Wissens als ein Ideal betrachteten, während es doch darauf ankommt, daß man lernen lerne – lernen lerne so, daß man, wenn man noch so alt wird, bis zu seinem Todesjahr ein Schüler des Lebens bleiben kann. […] Wir stünden auf einem anderen Boden heute, wenn die Menschen gelernt hätten, zu lernen. Warum sind wir heute sozial so hilflos? Weil Tatsachen aufgetreten sind, denen die Menschen nicht gewachsen sind.

Ressourcenorientierter Unterricht

Ein auf der Beziehungsarbeit aufbauender Unterricht ist nicht prüfungs-, sondern ressourcenorientiert. Im gemeinsamen Arbeiten kann sich jeder Mensch mit dem einbringen, was ihn auszeichnet. Daher möchte Steiner weder Fachunterricht noch Prüfungen. Stattdessen fordert er eine "pädagogisch-didaktische Ökonomie", die Fächer miteinander verbindet und damit projekthaft statt curricular arbeitet:

Da wird man Verbindungen im Unterrichtswesen schaffen, an die heute noch keiner denkt, zum Beispiel Zeichenunterricht mit Geographie. Es würde von ungeheurer Bedeutung für den werdenden Menschen sein, wenn er auf der einen Seite wirklich verständigen Zeichenunterricht bekäme, aber in diesem Zeichenunterricht dazu angeleitet würde, nun, sagen wir, den Globus von den verschiedensten Seiten her zu zeichnen, die Gebirgs- und Flußverhältnisse der Erde zu zeichnen, und dann wiederum selbst Astronomisches, das Planetensystem und so weiter zu zeichnen.

Neben dem Bruch mit dem Lehrplan und dem Bruch mit dem Fachunterricht gehört in logischer Konsequenz schließlich als Drittes der Bruch mit dem Stundenplan dazu:

Der junge Mensch geht in die Schule zur ersten Schulstunde des Morgens. In dieser ersten Schulstunde ist vielleicht angesetzt aus den Bequemlichkeiten des Lehrerkollegiums heraus, sagen wir, Mathematik, Rechnen. Dann folgt vielleicht Latein, dann folgt vielleicht eine weitere Stunde religiösen Unterrichts. […] Man kann das menschliche Gemüt von Grund auf nicht stärker ruinieren, als wenn man in dieser Weise bei dem jungen Menschen dafür sorgt, daß seine Konzentrationskraft auf das allergründlichste zerstört wird. Dasjenige, wo angefangen werden müßte, auf dem Gebiete des Unterrichts zu sozialisieren, das ist vor allen Dingen der Stundenplan, diese Mördergrube für alles dasjenige, was wahrhafte Pädagogik ist. […] Der Radikalismus muß bis in die Abänderung des verruchten Stundenplanes, bis in manche Kleinigkeiten hinein gehen; denn aus diesen Kleinigkeiten heraus entwickeln sich jene Schneebälle, welche dann zu Lawinen anwachsen, die heute als die großen Kulturschäden da sind.

Steiners Ideen in ihrer kompromissungetrübten Form lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine zukunftsfähige Pädagogik hat die Aufgabe, Menschen zu bilden, die in der Lage sind, eine Gesellschaft aktiv und kreativ zu gestalten. Dazu bedarf es vor allem dreier Neuerungen des anachronistischen Schulwesens:

  • Keine Prüfungen, sondern ein selbstwirksames, problemlösungsorientiertes Lernen an realen Lebensaufgaben
  • Keine Fachlehrer und Fachunterrichte, sondern ressourcenorientiertes Lernen auf Basis der wertschätzenden Beziehung von Persönlichkeiten im gemeinsamen Agieren
  • Kein Stundenplan, sondern ein handlungs- und prozessorientiertes Lernen in fachübergreifenden Sachepochen (im Sinne von lebensnahen Projekten).

Für alle Kinder, die auf Gut Loberthal lernen, beginnt der Tag mit dem gemeinsamen Schulweg und dem anschließenden gemeinsamen Frühstück. Danach beginnt eine Epochenzeit, die bis zum Mittag reicht, also ca. von 9:00 bis 12:30 Uhr. Es handelt sich dabei um themenübergreifende Sachepochen. Bei der Bauernhof-Epoche helfen die Kinder bei der Ernte auf dem Feld und lernen nebenher, wie man unübersichtliche Mengen von Kürbissen oder Roter Beete in Fünfer- und Zehnergruppen strukturiert. Bei der Fahrrad-Epoche hilft der Fahrradwerkstatt-Meister den Kindern, die Fahrräder anzupassen, übt mit ihnen grundlegende Verkehrsregeln und parallel dazu lernen sie bei der Klassenlehrerin anhand der Fahrradteile die ersten Laute kennen: Das S beim Sattel, das L beim Lenker, das R beim Rad und so weiter. In einer Farben-Epoche werden aus Lebensmitteln Farben hergestellt, mit denen sowohl Wolle gefärbt als auch gemalt werden kann. Nebenher entsteht ein Epochenheft mit Bildern und Gedanken der Kinder, die im Verlauf des gesamten Prozesses entstanden sind.

Lernen in einem lebenspraktischen Zusammenhang

Was auch immer in der offenen Landschaft Loberthal gelernt wird, steht in einem Sinnzusammenhang mit lebenspraktischen Aufgaben, was die Kinder immer wieder neu motiviert. Die praktische Ausrichtung des Lernens ermöglicht zudem Inklusion, weil jedes Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten sich bei der Erfüllung der Aufgaben einbringen und seine individuellen Erfahrungen sammeln kann. Jede Epoche erfolgt im Teamteaching. Das Team besteht zunächst aus der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer und einer Fachfrau oder einem Fachmann. Beide im Team lernen voneinander und verantworten die Epoche gemeinsam. Weil es keinen Stundenplan gibt, sondern nur eine den Vormittag umgreifende Epochenzeit, müssen die Fachunterrichte in die Sach-Epoche integriert werden. Bei der Werkzeug-Epoche kommt ein Zimmermann dazu, der mit den Kindern kleine Werkzeugkisten baut, während der Michaeli-Epoche unterstützt eine Eurythmistin die Einstudierung eines kleinen Spiels, das auf dem Bauernhof als Dankeschön aufgeführt wird. Auch die Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer bringen ihre Expertise in die entsprechenden Epochen mit ein, beteiligen sich aber überdies gemeinsam mit der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer an allen anderen Aufgaben des Unterrichtes.

Die Klassenlehrerin, der Klassenlehrer – Inbegriff der Lernenden

Die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer sind hauptverantwortlich für die besonderen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes und für die altersgerechte Art und Weise des Lernens. Sie sind diejenigen, die, überspitzt gesagt, nichts (Spezielles) können und sich deshalb auf jede Epoche freuen, weil sie dann mit den Kindern zusammen etwas Neues lernen und entdecken dürfen. Sie sind der Inbegriff der Lernenden, nicht der Lehrenden. Mit diesem Selbstverständnis versuchen sie Brücken zu bauen, über die die Kinder Wege in verschiedene Lebenswelten hineinfinden. Dazu gehören die kooperierenden Betriebe und Institutionen der Nachbarschaft ebenso dazu wie die hauseigenen Werkstätten oder der Lebensraum selbst, in dem Gut Loberthal entsteht. Fest ins Team integriert sind zudem die Hortnerinnen und Hortner, die oft schon im Unterricht dabei sind und darüber hinaus die Kinder vor allem bei Aufgaben im Haus und im Gelände begleiten. Dazu gehört das Putzen des Schulhauses, wie die Pflege von Beeten oder das Anlegen von Wegen und Begrenzungen auf dem noch ungestalteteten Gelände. Die Unterscheidung zwischen Schule und Hort ist damit obsolet geworden, weil alle Mitarbeitenden eine Präsenzzeit von 30 bis 40 Stunden in der Woche haben und damit über längere Zeit am Tag gleichzeitig anwesend sind. Dabei müssen sie mit einer gewissen Flexibilität und Dialogbereitschaft den Tag so einrichten, dass alle anstehenden Aufgaben gemeinsam gut bewältigt werden können.

Nachmittag zwischen freiem Spiel und Kursangeboten

Nichtsdestotrotz gibt es auch eine Nachmittagszeit, die durch eine längere Mittagspause, an der alle vom Team teilnehmen, von der Epochenzeit getrennt wird. Nachmittags wählen die Kinder zwischen freiem Spiel und Kursangeboten wie Korbflechten, Handarbeit, Tanzen, Fahrradwerkstatt, Schnitzen und anderen. An diesen Kursen dürfen sie altersübergreifend teilnehmen. In der Mittelstufe kommen dann Übstunden dazu für all die Fähigkeiten, die nachhaltig geübt und automatisiert werden müssen.

Schulabschluss mit Berufsabschluss

Bleibt am Ende noch die Frage nach den Prüfungen: In dieser Hinsicht wird es wohl nicht ganz ohne Kompromisse gehen, aber das Ziel ist die Möglichkeit für jede Absolventin und jeden Absolventen, während der Oberstufenzeit in den hauseigenen Werkstätten oder bei den Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern einen Berufsabschluss zu erlangen.

Handlungspädagogischer Studiengang

Eine weitere Besonderheit auf Gut Loberthal ist das Bestreben, für die handlungspädagogische Ausrichtung einen dualen Studiengang einzurichten. Dazu ist in Zusammenarbeit mit dem in Leipzig ansässigen Campus Mitte-Ost e.V. ein Pilotprojekt gestartet worden.

Neue Wege in der Selbstverwaltung

Für die Selbstverwaltung wird ebenfalls nach neuen Wegen gesucht. In einer dezentralen Organisationsstruktur werden Aufgaben in Kreise delegiert, die mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind. Neue Entwicklungen sollen nicht durch generelle Mehrheitsentscheidungen verhindert werden können. Gute Erfahrungen hat das ganze Team damit gemacht, Ziele und Konzepte immer wieder an den realen Gegebenheiten neu auszurichten. In der Wirtschaft spricht man bei diesem Prinzip vom ressourcenorientierten "Effectuation" im Gegensatz zum zielorientierten Management. Der deutsche Begriff ist jedoch aussagekräftiger und lautet: Unternehmenskunst. Das ist auf der Ebene der Organisationsentwicklung das Pendant zu dem, was Steiner "Erziehungskunst" genannt hat. Es ist eben eine Kunst, Konzepte erst aus dem erwachsen zu lassen, was konkret vorhanden ist – nicht, weil es so schön, sondern weil es so schwer ist …

Gut Loberthal – Gründungsimpulse und Projektbeschreibung

www.loberthal.de

https://handlungspaedagogik-leipzig.de/

Gut Loberthal, Leipzig

Das Projekt: Handlungspädagogik für die Großstadt

Ort: Rackwitz bei Leipzig

Aktivität: Handlungspädagogische Schule / Lehrerbildung Campus Ost

Kontakt: Marcus Erb-Szymanski (Email)

Fotos: GUT LOBERTHAL / Loberthal e.V.

Handlungspaedagogische Waldorfschule
Kletzener Straße 7
04519 Rackwitz

Internet: ➤ Gut Loberthal

Resilienzförderung durch:

  • Sozialkulturelle Vernetzung
  • Gemeinschaftsbildung
  • Lernen durch "Tatsachenlogik"
  • Unterricht und Selbstverwaltung ressourcenorientiert
  • Lebenspraktische Zusammenhänge
  • kein Fachunterricht
  • kein Stundenplan