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Schulverpflegung als Teil der Gesundheitsfürsorge

Die Waldorfschule Freiburg St. Georgen bietet eine ausgewogene, gesunde Schulverpflegung

Barbara Horwedel

Immer mehr Kinder verbringen viele Stunden des Tages außerhalb des Elternhauses in Schulen und Ganztagsbetreuungseinrichtungen. Der Bedarf an solchen Plätzen ist groß und steigt weiter, zumal es ab 2026/27 einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder geben wird. Teil der Betreuung ist die Versorgung der Kinder und Jugendlichen mit Essen und Trinken. Diese außerfamiliäre Verpflegung birgt ein großes Potential bezüglich der Gesundheitsvorsorge, Gesunderhaltung, Nachhaltigkeit, Chancengerechtigkeit und Ernährungsbildung. Ein Potential das bisher nur bedingt genutzt wurde und noch ausbaufähig ist.

Welche Möglichkeiten eine ausgewogene, gesunde Schulverpflegung birgt und welche Faktoren für ihr Gelingen wichtig sind, soll im Folgenden anhand von Beispielen aus der Praxis der Schulküche der Waldorfschule Freiburg St. Georgen aufgezeigt werden.

Gesundheitsvorsorge und Gesunderhaltung

Individuelle Gesundheit ist ein komplexer Zustand, der sich durch eine ausgewogene Ernährung positiv beeinflussen lässt. Oder anders ausgedrückt: Viele Krankheiten sind bedingt durch Fehlernährung. Krankheiten wie Adipositas und Diabetes Typ II betreffen mittlerweile viele Schulkinder und sind einer solchen Fehlernährung geschuldet.

Die Schulküche hat die Möglichkeit, durch eine sorgfältige Speiseplanung und fachkundige Zubereitung einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der SchülerInnen zu nehmen. Dies ist ihr Kerngeschäft. Hier werden Qualität und Menge (Energiezufuhr) der Mahlzeiten festgelegt und die Grundlage einer ausgewogenen und hochwertigen Ernährung verankert. Altersgerechte, abwechslungsreiche Gerichte, die die Vorlieben und Abneigungen der SchülerInnen berücksichtigen, sind zuzubereiten. Aspekte wie Zuckerreduktion, Vollkorngetreide, wenig verarbeitete Lebensmittel, hochwertige Öle, fließen hier mit ein.

Hier einige Beispiele:

  • Reduzierung von zuckerhaltigen Lebensmitten und Getränken. Nachtische/Zwischenmahlzeiten mit hohem Obstanteil (Obst, Obstsalat, ungesüßtes Obstmus). Kostenloses Angebot von Wasser und ungesüßten Tees.
  • Vollkorngetreidevariationen bei Nudeln / Brot / Reis usw. sind Weißmehlprodukten vorzuziehen.
  • Salatbuffet als Teil des Mittagsmenüs

Die allgemeine Ernährungssituation der SchülerInnen ließe sich dadurch eine solche Speiseplangestaltung deutlich verbessern.

Nachhaltigkeit

Die planetarischen Grenzen verlangen eine Änderung unserer Essgewohnheiten. In Bezug auf Umwelt und Klima ist die pflanzenbasierte Vollwertkost das Gebot der Stunde. Die Reduktion von tierischen Produkten hat dabei die größte Hebelwirkung. Außerdem gilt es, Lebensmittelreste bzw. Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Eine saisonale, regionale Vollwertküche unter Verwendung von biologisch erzeugten Lebensmitteln würde viele positive Effekte erzielen:

  • weniger klimarelevante Emissionen
  • mehr Tierwohl
  • Unterstützung der biologischen Landwirtschaft
  • weniger Nitrateintrag ins Grundwasser
  • mehr Biodiversität.

Eine solche Ernährung könnte dazu beitragen, die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen und den CO2-Abdruck zu verbessern.

Chancengleichheit

Das Potential der Schulverpflegung in Bezug auf Chancengleichheit wird in vielen Ländern erkannt, besonders in Ländern mit einem starken Armutsgefälle. So gibt es beispielsweise in Brasilien seit den 1950er Jahren ein vorbildliches Schulverpflegungsprogramm. Aktuell erhalten dort über 40 Millionen Kinder und Jugendliche kostenlose, gesunde und nachhaltige Mahlzeiten (Ernährung im Fokus, Ausgabe 3, 2021, S. 165).

Auch in Deutschland kann die Schulverpflegung zu einer hochwertigen Grundversorgung unabhängig von Einkommen und Ernährungsgewohnheiten der Familie beitragen. Beim gemeinsamen Essen sind alle sozialen Schichten vereint. Für einkommensschwache Familien wird bundesweit die Schulverpflegung subventioniert. Das deutsche Netzwerk Schulverpflegung geht noch einen Schritt weiter und fordert, kostenloses Schulessen als Grundrecht im Gesetz zu verankern. Dies wäre ein deutliches Signal für mehr Kindergerechtigkeit in Deutschland. Es würde die Anzahl der Essen und somit auch die Rentabilität der Schulküchen, erhöhen.

Ernährungsbildung

An wenigen Schulen wird das Fach Hauswirtschaft oder Kochen unterrichtet. Deshalb haben sich KüchenleiterInnen von Waldorfschulen zusammengetan und ein Konzept für ein Küchenpraktikum entwickelt. Dadurch soll SchülerInnen der siebten Klasse ein Einblick in die Arbeitsabläufe einer Gemeinschaftsküche gewährt werden. Auch an unserer Schule ist das Küchenpraktikum Teil unseres pädagogischen Konzeptes und verpflichtend für alle SchülerInnen der siebten Klasse.

Ein immer wichtiger werdender pädagogischer Auftrag der Schulküche ist die Information der Gäste zum Thema Ernährung. Dazu nutzen wir eine Pinwand, an der Infos (z.B. Saisonkalender, "Zu gut für die Tonne"), Grafiken (z.B. Fleischatlas), Zeitungsartikel (z.B. Wochenzeitung die Zeit, BUND Magazin) usw. angeschlagen werden. Mit diversen Rätsel- und Suchspielen versuchen wir die SchülerInnen für Themen zu sensibilisieren. Dadurch kann Transparenz und Akzeptanz entstehen.

Die Schulverpflegung muss Teil der Schulphilosophie sein

Welche Faktoren sind für das Gelingen einer gesunden und nachhaltigen Schulverpflegung entscheidend?Nur dort, wo Ernährung einen Platz im Gesamtkonzept der Schule hat, kann eine gute Verpflegung der SchülerInnen gelingen. Wie dies aussehen kann, zeigen Beispiele aus der Praxis:

  • Teilnahme des Küchenteams an den Konferenzen
  • Erstellung einer Küchenkonzeption, deren Inhalte dem Kollegium vorgestellt und mit ihm ständig weiterentwickelt werden. Diese Konzeption sollte Teil des Gesamtkonzeptes der Schule sein.
  • Unterstützung des Kollegiums bei allen Ernährungsfragen durch das Küchenteam (z.B. Klassenfahrten, Feste, schulische Veranstaltungen).
  • Es werden Delegierte im Vorstand bzw. in der Schulführung ernannt, die die Anliegen der Cafeteria / Schulküche in den entsprechenden Gremien vertreten.
  • Adäquate, informative und ansprechende Darstellung der Schulküche auf der Homepage der Schule
  • Beiträge des Küchenteams in der Schulzeitung.

Ernährungsthemen müssen fächerübergreifend Teil der Lehrerausbildung werden, damit diese eine Basiskompetenz erhalten. Das Thema Ernährung sollte fester Bestandteil des Bildungsauftrags der Schulen werden.

Einbeziehung der SchülerInnen

Die Akzeptanz der Schulverpflegung ist im Grundschulbereich relativ hoch und geht dann in der Sekundarstufe II deutlich zurück. SchülerInnen der Sekundarstufe II suchen überwiegend lieber einen Bäcker (76%) und /oder einen Supermarkt (79%) auf (BMEL 2015, S. 58 f.).

Die Beteiligung der SchülerInnen an der Gestaltung der Schulverpflegung fördert die Teilnehmerquote, die Akzeptanz und die Zufriedenheit der Zielgruppe. (Ernährung im Fokus, 3/2021, S.182).

Die Einbeziehung der SchülerInnen kann auf vielfältige Weise erfolgen:

  • Wunschbox/Wunschzettel "Wir kochen was euch schmeckt" – Abfrage von Speisewünschen und Einbeziehung in den Speiseplan
  • Pinwand, auf die Zettel mit Feedback und Anregungen gesteckt werden können. Das Küchenteam gibt Kommentare dazu, wodurch ein Dialog entstehen kann.
  • Austausch mit dem Schülerrat über die Cafeteria / Schulküche
  • SchülerInnen übernehmen Teilaufgaben der Cafeteria / Schulküche, z.B. Pausenverkauf, und erwirtschaften damit Guthaben für Klassenkasse oder caritative Projekte
  • SchülerInnen bestimmter Klassenstufen helfen in der Cafeteria / Schulküche mit, z.B. Siebt-Klass-Küchenpraktikum.

Verfügt die Schule über eine eigene Küche, kann ein offenes und freundliches Küchenteam viel zum Gelingen der Einbeziehung der SchülerInnen beitragen. Caterer haben es wesentlich schwerer mit den SchülerInnen in Kontakt zu kommen.

Eine angenehme Atmosphäre schaffen

Die Cafeteria / Schulküche sollte ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Erholung sein, den die SchülerInnen gerne aufsuchen. Es gilt, eine Hülle zu schaffen, die Umgangsformen und Tischsitten pflegt und fördert. Die Gestaltung der Räumlichkeiten bestimmt maßgeblich, ob die SchülerInnen das Verpflegungsangebot annehmen. Wichtig sind dabei:

  • gemütliche, einladende Ausstattung
  • ansprechende Möblierung
  • ruhige Essensatmosphäre
  • jahreszeitliche Tisch- und Raumdekoration
  • Außensitzbereich
  • guter Zugang zu Ausgabe, Salatbuffet und Trinkbrunnen
  • Sauberkeit und Hygiene
  • farbliche Gestaltung der Wände / Decken
  • gemütliche Nischen, z.B. Leseecken, Sofas.

Dies muss nicht immer teuer oder aufwendig sein. In unserem Bistro-Bereich ist jeder Stuhl anders – wir haben sie kostenlos über die Jahre gesammelt. Die Sofas sind uns geschenkt worden und zählen zu den Lieblingsplätzen der SchülerInnen. Tischdeko beziehen wir über den Schulgarten.

Das Küchenteam

Das Ideal einer Schulverpflegung ist eine eigene Schulküche, in der täglich frisch gekocht wird. Dies erfordert ein gut ausgebildetes und engagiertes Team.

Durch die Teilnahme an Fortbildungen (z.B. Hauswirtschaftstagung) oder durch das Lesen von Fachzeitschriften (z.B. Ernährungsrundbrief, Ernährung im Fokus) kann sich das Team über aktuelle Erkenntnisse bzgl. Ernährung informieren.

Das Küchenteam sollte offen sein für Anregungen aus den Bereichen Ernährung, Küchenorganisation und Lebensmittelerzeugung.

Der Austausch mit anderen Schulküchen ist immer gewinnbringend und sollte gepflegt werden.

Finanzielle Grundlagen

Hochwertige Lebensmittel, gut ausgerüstete Küchen und geschultes Personal haben ihren Preis. Jedoch ist das Geld gut angelegt, eine Investition in die Gesundheit und Ernährungsbildung der SchülerInnen.

Gesunde und nachhaltige Schulverpflegung muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erkannt werden. Der Staat muss dazu die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Das sind wir der Gesundheit und Bildung unserer Kinder schuldig.

Zur Autorin: Barbara Horwedel: Langjährige Tätigkeit als Erzieherin und Demeter-Bäuerin. Seit 2017 Küchenleitung an der Waldorfschule Freiburg St. Georgen.

Freie Waldorfschule Freiburg St. Georgen

Das Projekt: Gesunde und nachhaltige Verpflegung durch die Schulküche

Ort: Freiburg St. Georgen

Aktivität: Gesundheitsvorsorge, Chancengleichheit, Ernährungsbildung, Mitarbeit in der Schulküche

Kontakt: Barbara Horwedel (Email)

Fotos: Katharina Rolf, Barbara Horwedel

Internet: ➤ Freie Waldorfschule Freiburg St. Georgen

Resilienzförderung durch:

  • Schulische Gesundheitsfürsorge 
  • Qualitativ hochwertige Ernährung für alle
  • Anlage gesunder/nachhaltiger Ernährungsgewohnheiten
  • Schulküche als "Wohlfühl- und Kommunikationsort"
  • Einbeziehung der Schüler durch Siebt-Klass-Praktikum in Schulküche und Pausenverkauf
  • Schulküche als Teil des schulischen Gesamtkonzepts