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Natur und Naturreiche als Kraftorte für Kinder

Karin Michael und Silke Schwarz |

Die Natur ist für Kinder ein wichtiger Entwicklungsraum.

Die Natur ist für Kinder neben menschlichen Beziehungen der wichtigste Entwicklungsraum und voller entwicklungsfördernder Elemente. Jede Stunde draußen in der Natur ist Seelennahrung! Wenn wir die Erde als lebendigen Organismus, als Ort und Grundlage unseres Daseins begreifen können, wird die tiefe Verbindung des Menschen mit den Naturreichen und all ihren Lebewesen als Grundvoraussetzung für die gemeinsame Gesundheit von Erde und Mensch erlebt und ins Bewusstsein gerufen. Handlungsfähigkeit, Sinnhaftigkeit und Gemeinschaft sind starke salutogenetische Faktoren für Kinder und ihre Familien, die in einer natürlichen Umgebung besonders gut entwickelt werden können.

Die Natur ist ein pädagogischer Ort: Lernen an realen Erfahrungen und Erlebnissen in der Natur ist nachhaltig, macht Spaß und vollzieht sich meist an schönen Orten. Wir können die Kraft der Natur neu entdecken und für eine gesunde Entwicklung nutzen: Blumen und Gemüse pflanzen, sähen, pflegen und wachsen sehen, ist sehr befriedigend und lässt Kinder ein gesundes Verhältnis zur Natur entwickeln. "Meine" Orte, "meinen" Baum, "meinen" Bach finden, beheimatet das Kind auf unserem Planeten und gibt zugleich Halt im eigenen Leib. Gemeinschaft in natürlicher Umgebung wirkt entwicklungsfördernd und rehabilitativ: Eintauchen in intensives Spiel und Sinneswahrnehmung. Mit Matsch, Sand und Wasser spielen. Viel Lachen. Geschichten erzählen. An der Feuerstelle Flammen tanzen lassen, Stockbrot backen. Kleine Abenteuer und Mutproben erleben und Widerstände überwinden.

Die Natur stärkt Gesundheit: Seit jeher sind es die schönsten Naturorte, die zur Regeneration und zum Ausgleich genutzt werden. Das gilt ebenso für den eigenen Garten, wie für Parks oder Kurorte vom Gebirge bis ans Meer. Wir sind eingegliedert in die Rhythmen der Natur und können durch sie Stärkung, Vertrauen und Verlässlichkeit erfahren. Unsere Gesundheit wird getragen von Rhythmen. So ist unser ganzer Organismus, wie die Natur, in zirkadianen Tages-Rhythmen organisiert. Schlafen und Wachen beispielsweise sind tragende Säulen unserer Gesundheit und werden am stärksten vom Licht, von Tag und Nacht beeinflusst und gestützt. Das Zeitempfinden in der Natur ist nicht fixiert, nicht so getaktet wie eine Atomuhr, sondern flexibel, eben zirkadian. Wie auf jeden Abend ein neuer Morgen folgt, an dem die Sonne wieder aufgeht, so gliedern sich Wochentage und Monate in geordneter Reihenfolge dem Lauf des Jahres ein und geben uns die Kraft der Regelmäßigkeit. Auch und gerade bei eingeschränkter Lebensweise möchten wir anregen, die Jahreszeiten bewusst mit den Kindern zu beobachten, zu pflegen und mit einem schönen geschmückten Jahreszeitentisch die Natur zu sich ins Haus zu holen. Übrigens gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Lassen Sie immer wieder auch Raum für Überraschung und Spontanität, denn Rhythmus ist eben kein fest getakteter Stundenplan.

Zukunft in einer von Bildschirmmedien geprägten Welt: Wahrnehmungsentwicklung braucht reale räumliche und zeitliche Bezugsgrößen. Immer mehr Kindern mangelt es an intensiven Sinneserlebnissen, wie man sie nur in der Natur haben kann. Gleichzeitig wird das Unterscheiden von Wahrheit und Fiktion oder Virtualität eine immer größere Herausforderung werden. Sich nicht unfreiwillig täuschen zu lassen, braucht mehr denn je eine intensive Schulung aller Sinne. In der anthroposophischen Menschenkunde unterscheiden wir zwölf Sinne.
 

Mit allen zwölf Sinnen

Praktische Tipps für Erwachsene, um mit Kindern gesund und sicher in die Zukunft zu gehen.

Jedes Kind hat seinen eigenen Stil, mit dem es die Welt wahrnimmt und auf sich wirken lässt. Man könnte sagen, jedes Kind ist etwas anders in den Sinneswelten zu Hause. Lassen Sie sich bei allen spielerischen Sinnesanregungen von Ihrem Kind leiten. Vorlieben und Weigerungen haben ihren Sinn. Wenn Ihnen Ihr Kind in einem Sinnesbereich besonders stark oder wenig empfindsam vorkommt, tauschen Sie sich mit Expert*innen dazu aus. Jeder der folgend genannten Sinne kann körperlich, seelisch und geistig erfahren werden. 
 

Tastsinn: Der Tastsinn bildet die Grenze zwischen uns und der Welt. Diese Welt kann zart, fein und rauh oder kräftig erfahren werden. Sie bietet Widerstand oder gibt nach. Der eigene Leib wird zu einem sicheren Zuhause, wenn durch ihn wohlige und klare Grenzerfahrungen gemacht werden können. Hier kann schon das Pucken des Neugeborenen hilfreich sein, ebenso wie im Weiteren die warme Hand des Mitmenschen, Einreibungen, Massagen, Wickel, Bäder und die richtig sitzende Kleidung. Kleine spielerische Übungen mit den Kindern vertiefen das Erleben in diesem Sinnesbereich. Ein kleines Daunenfederchen auf der Haut zu spüren oder den Lufthauch der Mama im Nacken, barfuß auf steinigem Grund hüpfen oder im Sommer ein Bad im Wiesenheu. Den Möglichkeiten für Tast-Sinneserfahrungen sind kaum Grenzen gesetzt. Beobachten Sie als Erwachsene, wie Sie sich seelisch, geistig tastend bewegen, zum Beispiel in der Begegnung zu einem Kind, einem Tier. Achtsamkeit kann zu einem Leitmotiv werden auf dem eigenen Entwicklungsweg. Dies kann jeden Morgen beginnen, bevor man sein Kind weckt. Schenken Sie sich selber einen Moment des Innehaltens, bevor Sie Ihr Kind am Morgen wecken und lassen Sie für es eine kleine Sonne aufgehen, wenn Sie den Raum betreten.

Lebenssinn: Stillen ist eine der wichtigsten Grundlagen für ein wohliges Gefühl, das dieser Sinn vermittelt. Aber auch wenn die Kinder größer werden, können wir viel tun, um diesen Sinnesbereich positiv zu entwickeln. Indem wir auf selbst zubereitete altersentsprechend gut verdaulicher Speisen in guter Qualität achten. Nachmittags beim Spaziergang gepflückte Beeren, die zu Hause liebevoll zu Marmelade gekocht und am nächsten Tag auf das selbstgebackene Brot gestrichen werden, lassen die Ernährung mit den Naturkräften im Einklang erfahrbar machen. Auch wie ausgeschlafen und erfrischt wir uns fühlen, wird uns vom Lebenssinn vermittelt. Ausreichender Schlaf ist wesentlich für eine gesunde Entwicklung, denn auch Schlafstörungen und Erschöpfung nehmen schon im Kindesalter zu. Nach einer Wanderung oder Skitour in den Bergen aber schlafen alle tief und fest.

Auch liebevolle Körperpflege verschafft tiefes Wohlbehagen. "Muße und Andacht sind die Begriffe, mit denen sich am besten die seelische Grundhaltung beschreiben lässt, von der alles getragen sein sollte, was wir äußerlich in Bezug auf Ernährung, Wärmung, Körperpflege, Rhythmus und Schlafpflege für die Lebenssinnreifung tun können, weil andernfalls die äußeren Verrichtungen ins Leere gehen" (Köhler 2014). Eine ganz wesentliche Bedeutung für die gesunde Entwicklung und Stabilisierung des Lebenssinns hat die schon erwähnte rhythmische Gestaltung des Alltags.

Eigen-Bewegungssinn: Am liebsten bewegen sich Kinder selbst. Währenddessen vermittelt ihnen dieser Sinn ihre Lage im Raum. Durch die Natur wandern und laufen, eine Wiese oder Sanddüne hinunterrollen, Klettern, Tanzen und Turnen vermitteln lebendige selbst errungene Lebensfreude. Hingegen ist es wenig förderlich, wenn Kinder überwiegend passiv bewegt werden, sich im Auto fahren lassen, von Kirmesgeräten geschleudert werden oder in Bewegungssituationen geraten, die sie nicht selbst stoppen können. Dann kommt es öfters zu Übelkeit.

Gleichgewichtssinn: Kinder lieben Balancieren auf Baumstämmen und über gerade noch nah genug beieinander liegende Trittsteine im Bach zu hüpfen, so dass man keine nassen Füße bekommt. Auch Schaukeln gehört dazu, Hüpfspiele auf einem Bein und Huckepack. Bauen Sie doch beim nächsten Spaziergang einen Steinturm, bei dem Sie selbst gesuchte flache Steine so hoch aufeinanderstapeln, dass vorbeikommende Spaziergänger staunen müssen. Heute weiß man, dass ein souveräner, geübter Gleichgewichtssinn Gehör, Konzentration und mathematischen Fähigkeiten unterstützt (vgl. www.bildung-kommt-ins-gleichgewicht.de).

Wärmesinn: Jeder kennt den Eindruck einer warmen liebevollen Umarmung als eine der schönsten Erfahrungen, die man machen kann! Die Wärme unserer Mitmenschen vermittelt uns Urvertrauen, Geborgenheit, Schutz und Liebe. Nicht umsonst beginnt das Leben am besten, indem man von seinen Eltern umarmt wird. Dieses "Bonding" ist wichtige Grundlage für eine gesunde (Beziehungs-)Entwicklung. Und wenn die erste Sonne einen zu wärmen beginnt, wenn der Sand einem unter den Füßen brennt oder das Bergwasser vor Kälte fast schmerzt – dann empfindet ein Kind seine Wärme in tiefster Begegnung wie im deutlichsten Unterschied zur Welt. Achten Sie immer gut auf den Wärmezustand Ihres Kindes. Hat es abends, wenn es im Bettchen liegt, warme Füße und einen warmen Rücken? Falls nicht, gönnen Sie Ihrem Kind eine wärmende Massage.

Geruch: Die Gerüche der Natur prägen sich im Kindesalter besonders tief in uns ein. Wie war der Geruch von selbst gesammelten Pfifferlingen damals eindrücklich! Und wie grandios schmeckt eine Mahlzeit, wenn man sie selbst gesammelt hat! Überraschen Sie Ihr Kind mit einem selbstgebastelten Geruchsmemory. Gute Gerüche fördern auch im späteren Leben noch das Erinnerungsvermögen und sie haben beruhigende und regulierende Wirkung auf das Gefühlsleben.

Geschmack: "Naturidentisch" kann man heute fast alles geschmacklich nachbilden. Aber der Geschmack einer frisch gepflückten Walderdbeere oder eines am Wintermorgen gefundenen Eiszapfens ist doch tausendmal mehr! Gewürze und Kräuter sind wunderbare Mittel, unsere Verdauung stark zu machen, uns zu erfreuen, kulinarisch die Welt zu bereisen und ihre großartigen Kulturen intensiv zu erleben.

Sehen: Am Licht im Freien bildet sich das Auge optimal aus! Bei jedem Spaziergang lassen wir unseren Blick durch die Naturräume entspannt schweifen. Künstliches Licht, Innenräume und Bildschirme gefährden das gesunde Auge. Achten Sie auf die natürlichen Lichtverhältnisse in der Natur. Warum nicht mal das elektrische Licht auslassen und die Wohnung am Abend mit Kerzen beleuchten? Studien zeigen, dass uns das warme Licht der Kerzen früher müde werden lässt. So kann man auch Kinder mit Einschlafproblemen unterstützen.

Hören: Der Natur etwas ablauschen lernen. Vom großen Rauschen bis zur "Mucksmäuschen-Stille" lernt das Kind da draußen die innere Qualität der Dinge durch ihre Klänge kennen. Wie klingt ein hohler Stamm, den der Specht beklopft, wie klingt ein lebendiger Baum? Naturklänge sind immer überraschend und nie so monoton abspielbar wie elektronische Medien. So bildet sich die Grundlage für ein differenziertes Hören aus. Lassen Sie Ihr Kind mal mit geschlossenen Augen auf einem Stuhl sitzen und schleichen Sie sich an. Wie nah kommen Sie heran, bevor Sie ertappt werden? Danach abwechseln.

Wortsinn: Die Worte unserer Sprache werden lebendiger und reicher, wenn wir sie an der Natur begreifen und kennenlernen dürfen. BAUM – ERDE – STEIN – WASSER – SCHNEE und EIS. Der Klang jedes Wortes verrät insbesondere im Zusammenhang mit der Natur viel über das tiefere Wesen der Dinge. Und jede Sprache zeigt, wie vielfältig die Beziehungen der Menschen zur Natur in den jeweiligen Kulturen und Landschaften geprägt sind. Genießen Sie die Kleinkindzeit und üben Sie richtig viele Reime; dies wird besonders lustig, wenn Sie dazu noch mit den Händen klatschen.

Gedankensinn: Ist ein Sinn für das Verständnis dessen, was von einem anderen Menschen zu uns gesprochen wird. Vielleicht auch unmittelbar für das, was die Natur zu uns spricht? Hören Sie ihren Kindern zu, wenn sie im Spiel sind, manchmal sprechen sie mit den Wesen des Waldes. Die stimmigen Abläufe in der Natur helfen uns, auch im Erwachsenenalter noch auf einem Spaziergang wieder den roten Faden in unseren Gedanken zu finden, unsere Gedanken wieder "in Fluss zu bringen" und den Wald doch aus Bäumen zu sehen. Kinder sind Meister darin, die Gedanken von Erwachsenen zu erraten. Wie ist es mit Ihnen? Machen Sie ein Spiel daraus: Ich denke was, was du nicht denkst und das ist ...

Ich-Sinn: Jedes Lebewesen hat ein Ich, ist ein individuelles einmaliges Geschöpf. Jedes Kind weiß dies und hier müssen wir den Kindern nicht viel erzählen, sondern uns von Ihnen leiten lassen. Sie bringen diesen Sinn für den Anderen, das Wesenhafte des Anderen, mit. Sie sprechen sogar mit Pflanzen, Tieren und manchmal sogar mit unsichtbaren Freunden. Und wo die Kinder mit der Natur für uns zu ruppig im Umgang sind, gilt es, nicht zu schulmeisterlich zu werden. Kinder hauen sich im spielerischen Ernst durch die Brennnesseln, wenn es darum geht, den Drachen zu töten oder eine feindliche Mannschaft kriegerischer Angreifer (die dann mal durch die Brennnesseln repräsentiert werden) zurückzuschlagen. Dies wird die Natur vertragen, echte Verletzungen erfährt unser Planet durch die großen Missetaten der Erwachsenen. Ab der Jugendzeit wird es inhaltlich interessant, mit den jungen Menschen nach Wegen für Umweltschutz zu suchen. Kinder, die unbeschwerte Naturerfahrungen in der Kindheit machen konnten, werden sich als Erwachsene von alleine für deren Erhalt einsetzen. Die "Fridays for Future" Bewegung hat uns da vieles gelehrt.
 

Naturerleben minimiert Stress

Also ab nach draußen! Bewusst mal abschalten und ohne Handy nach draußen gehen. Die Screens wegpacken und mal längere Zeit Achtsamkeit den digitalen Helfern gegenüber walten lassen. Und zwar alle, denn wir Erwachsene sind die Vorbilder unserer Kinder. Medienfasten wäre eine gute Möglichkeit (vgl. www.medienfasten.org).

Die Ruhe einer ländlichen Umgebung reduziert Stress und fördert psychische und körperliche Gesundheit. Immer mehr Menschen erleben intensiv, wie kräftezehrend unser von Schnelligkeit, Reizüberflutung und rasanten technologischen Vorgängen geprägter Alltag geworden ist. Wie wohltuend ist ein Tag im Wald, in den Bergen oder am Meer: Die Geräusche sind weniger oder klar zuzuordnen, die Luft ist reizarm und frisch. Wir tanken Sonnenlicht, was unseren Vitamin D Stoffwechsel anregt (vgl. Till Reckert, https://www.anthromedics.org/DMS-19529-DE). Dabei erlebt man seinen Leib wohltuend in Bewegung und schläft danach erholsam und wohlig.

– Wald: Im Wald kann man durchatmen und wird gesund. Waldboden stärkt das Mikrobiom und Waldluft die Lunge (vgl. www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aba2578www.wohllebens-waldakademie.de) Kinder aus Waldkindergärten haben eine robustere Gesundheit und bessere Bewegungsentwicklung.

– Bewegung statt Sitzen beugt neuem Krebs vor; draußen bewegt man sich mehr als drinnen. In Corona-Zeiten hockten viele Kinder noch mehr als sonst in geschlossenen Räumen und obendrein vor dem Bildschirm. Das schadet ihnen, wie man es auch dreht und wendet.
 

Jahreszeiten und Gestaltung der Innenräume

Anregungen für die zwölf Monate und den Jahreszeitentisch: Doch auch in unseren Innenräumen können wir die Beziehung zur Natur vertiefen und pflegen, beispielsweise durch einen Jahreszeitentisch. Jeder Jahreszeitentisch ist ein Unikat. Ob mit farblich abgestimmten Seidentüchern unterlegt, ob mit kleinen Elfchen oder Zwergen bestückt, mit glitzernden Edelsteinen oder schlicht nur auf dem Tisch: Platz dafür ist in der kleinesten Ecke. Sie werden staunen, wie sehr die Kinder es lieben, von den Spaziergängen gefundene Schätze, wie eine Vogelfeder oder einen Zauberstein mitzubringen.

Januar: Tannenzweige, eine Christrose, ein paar Winteräste, die Krippe steht noch im Haus, die Rauhnächte ziehen sich in den Monat hinein. Kerzen verbreiten abends heimeliges Licht.

Februar: Die Winterzweige bleiben, Karnevalsdeko wie Konfetti kann dazu kommen. Immer noch ist es so kalt, dass man durch am Abend ausgekipptes Wasser Frostüberraschungen für den nächsten Morgen zaubern kann.

März: Oft ist es der Ostermonat, halten Sie Ausschau nach dem Osterhasen oder brütenden Vögeln. Wer Glück hat, findet Stückchen von Eierschalen unter einem Baum. Selbst bemalte Ostereier an den gelben Forsythienzweigen schmücken das Haus.

April: April, April. Der beste Monat, um übers Wetter zu reden und es zu beobachten! Üben Sie sich mit Ihren Kindern in der Wetterprognose. Draußen finden sich schon viele hübsche bunte Blumen und Zweige.

Mai: Die Eisheiligen kommen, erzählen Sie Ihren Kindern davon. Basteln Sie sich einen Maibaum für den Jahreszeitentisch, der mit bunten Bändern geschmückt ist und begrüßen singend die warme milde Jahreszeit.

Juni: Sommersonnenwende! Das Johannifeuer und die Glühwürmchen können schönste Kindheitsbilder prägen. Wenn eine ganze Dorfgemeinschaft hier tanzt, singt und feiert, werden das unvergessliche Glücksmomente!

Juli: Auch wenn wir nicht immer verreisen können, so ist das doch der Monat, in dem Streifzüge durch die Natur uns möglichst ganz herauslocken! Sich im Bach waschen und im Heu schlafen. Der Jahreszeitentisch ist voller Blumenpracht.

August: Eine Nacht unter freiem Himmel in der ersten Augusthälfte, wenn die Perseiden uns ihren Sternschnuppenhagel bringen – dann können heimliche Wünsche in Erfüllung gehen! Die Natur blüht weiter üppig. Suchen Sie die wilde Möhre! Sie blüht noch lange schön in der Vase.

September: Michaeli ist das Fest des Mutes und die Natur bietet viele Mutproben, an denen man seine Stärke messen und sich erproben kann. Auf den höchsten Baum klettern, durch eine dunkle Höhle kriechen, in ein tiefes Baumloch greifen oder über den Bach springen – was kann ich schaffen? So werden Ängste gebannt! Eine Feuerschale am Jahreszeitentisch spendet flackerndes List für die Herbstmärchen.

Oktober: Erntedank! Kartoffelfeuer und frisch gepressten Apfelsaft selber machen! Samen wie Erinnerungen einsammeln. Draußen findet man auch viele Vogelfedern für die Jahreszeitenecke. Man kann auch einen Traumfänger daraus basteln.

November: Laternenfest in der Abenddämmerung mit schönsten Liedern. Selbst gebastelte Laternen und echte Kerzen darin lieben die Kinder. Zu Hause gibt es dann einen warmen Frucht-Punsch.

Dezember: Wintersonnenwende – die entzündete Bienenwachskerze riecht unverwechselbar nach Weihnachten und im Innern wird das Licht so heimelig warm, wie es am Bienenstock im Juni draußen war! Die Wohnung kann mit Tannenzweigen und selbst gebastelten Sternen geschmückt werden.
 

Traumapädagogik und Krisenbewältigung

Die Natur ist eine großartige Ressource für Notfallpädagogik. Tiere können traumatisierte Kinderseelen heilen, fördern Bewegung, machen Freude. Künstlerisches und spielerisches Tun bringen Kinder (und Erwachsene) auf positive Gedanken und fördern das Erleben von Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit. Draußen in der Natur findet sich immer Material, aus dem man etwas Schönes erschaffen kann. Im Gespräch über entstandene Kunstwerke taucht oft auf, was die Seele bedrückt und bewegt und so findet sie Erleichterung und Ausdruck zugleich.

Neben solchen besonderen Sternstunden aus Schönheit, Kreativität und Spiel ist es aber oft auch der verlässliche und geregelte Alltag, der Vertrauen und Sicherheit wieder wachsen lässt und in unsicheren Zeiten noch größere Bedeutung für die kindliche Entwicklung hat, als ohnehin (https://www.anthromedics.org/PRA-0979-DE).

Erde

Erde, unendlich Geduldige,
ist das dein Sinn,
dass ich,
der all deiner Leiden
Schuldige,
werde, der ich bin
.  

Erika Beltle

Kinder brauchen Naturreiche und kleine Kinder brauchen Erwachsene, die sie dorthin begleiten. Schaffen wir viele Möglichkeiten für die Kinder in Natur-Oasen einzutauchen. Momente der Naturverbundenheit in tiefem Frieden sind sogar am Blumentopf auf dem Balkon möglich.

Zu den Autorinnen: 
Dr. med. Silke Schwarz ist an der Universität Witten/Herdecke am Lehrstuhl für Medizintheorie tätigund Schulärztin an der Freien Waldorfschule Bonn.
Dr. med. Karin Michael arbeitet am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und für das von-Tessin-Zentrum für Gesundheit und Pädagogik.

Kontakt: silke.schwarzkoeln.de / k.michaeltessin-zentrum.de