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Was bedeutet Stillen in unserer Zeit?

Anke Bartlewski |

Foto: © Charlotte Fischer

Man sollte meinen, Stillen sei die natürlichste Sache der Welt.

Als Stillberaterin bin ich sehr privilegiert, denn ich kann an den ersten Tagen eines Neugeborenen teilhaben. Ich bin jedes Mal wieder davon berührt, wie dieses kleine Wesen mit einem intuitivem Wissen zur mütterlichen Brust findet. Dieses Urvertrauen und diese Nähe werden im Leben nie wieder in diesem Maße erreicht. Wie schnell wird unsere Kind selbstständig mit ganz eigenen Vorstellungen. 

Man sollte meinen, dass Stillen die natürlichste Sache der Welt ist. Trotzdem werde ich oft gerufen, denn das Stillen scheint doch eine herausfordernde, ja auch häufig überfordernde Angelegenheit zu sein.

In unserer heutigen, schnelllebigen und oft auch lauten Zeit werden wir plötzlich vor ganz existentielle Fragen gestellt. Kann ich einen gute Mutter sein? Werde ich meinem Kind gerecht? Wie können wir uns als Paar im Elternsein finden? Schaffe ich Beruf und Kind zu vereinbaren? Komme ich mit der lebenslangen Verantwortung zurecht?

Für die meisten Paare ist es heute selbstverständlich, dass ihr Kind gestillt werden soll. Im Zuge der Gleichberechtigung ist es heute genauso wichtig, dass sich auch die Väter mit in die ersten Lebensmonate der Kinder einbringen – und das ist auch gut so! Die Kinder bauen von Anfang an auch eine Bindung zu den Vätern auf. Die Mütter tragen die Verantwortung nicht mehr hauptsächlich alleine. Die Kindern erleben die Eltern als gleichberechtigte Partner, was sich positiv auf die eigene Haltung einer zukünftigen Partnerschaft auswirkt.

Warum ist das Stillen, besonders ein langes Stillen gut?

Wenn wir auf die Mutter schauen, so regt das Stillen die Hormonproduktion von Oxytocin und Prolaktin an, die zu Gelassenheit und Bindungsfähigkeit anregen. Außerdem ist Stillen praktisch, denn die Muttermilch ist immer verfügbar. Das Stillen fördert die Rückbildung des Uterus und reguliert die Gewichtsabnahme der angefutterten Pfunde, die zwar verzögert einsetzt, aber die Eisenreserven der Mutter schont. Und da man heute alles in Kosten rechnet: Im ersten halben Jahr spart man durch volles Stillen 600 Euro.

Schauen wir auf das Kind, so gibt es nichts Besseres als Stillen, da es die Bindungsfähigkeit erhöht, dem Kind Sicherheit und Geborgenheit gibt und eine emotionale Grundlage für seine geistig-seelischen Gesundheit bildet. Wie kostbar sind diese ersten Monate im Leben eines Kindes und wie viel Zuwendung erfährt es durch den direkten Hautkontakt. Durch das Stillen wird das Kind weder überfüttert noch fehlernährt; mögliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden deutlich reduziert.

Nicht zuletzt ist das Stillen nachhaltig und umweltbewusst: Stillt eine Mutter, so erzeugt sie keine Herstellung, Lagerung, Transport und Verteilung von Ersatznahrung. Die Ressourcen werden geschont. Stillen reduziert die Kosten im Gesundheitswesen, da gestillte Kinder weniger krank sind.

Stillen bedeutet in der Regel eine sichere Bindung. Bindung bedeutet Sicherheit im Leben.
Eine sicher empfundene Bindung ist ein wichtiger Faktor für die Unterbrechung der Weitergabe von Gewalt. 

Karl Heinz Brisch