Die Heilkraft des Humors
Die Stressforschung untersucht u.a. auch die toxische Wirkung von negativen, destruktiven, egoistischen Gefühlen, wie Verzweiflung und Trauer, Angst, Hilflosigkeit, Depression, Ärger, Wut und Hass. Alle Gefühle modulieren die Körperphysiologie und können schwerwiegende gesundheitliche Probleme verursachen oder umgekehrt vor ihnen schützen (Goleman 1997).
Ebenfalls gibt es eine Gruppe von positiven Gefühlen, die gesundend die Physiologie regulieren können. Das heißt z.B., dass Menschen, die in ihrem Leben glücklicher sind, in der Regel gesündere Herzen und kardiovaskuläre Systeme haben. Dies wird empirisch an den Werten des Cortisol-Hormons festgestellt, dessen hohe Werte mit Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck korrelieren. Ebenso senkt sich auch die Herzfrequenz und die Konzentration des Blutproteins Fibrinogen, der auf Herzprobleme hinweist. Positive emotionale Erfahrungen und Optimismus werden mit längerer Lebenszeit assoziiert (Danner, Snowdon & Friesen 2001; Ostir, Markides, Black & Goodwin 2000). Über direkte physiologische Effekte hinaus (Takahashi, Iwase, Yamashita et al. 2001) gibt es Hinweise, dass positive Gefühle auch körperliche Antworten auf negative Gestimmtheit mildern können (Frederickson & Levenson 1998).
Eine besondere Form des Ausdrucks von positiven Empfindungen ist das Lachen. Die Heiterkeit und das Lachen repräsentieren hinsichtlich der gesundenden physiologischen und medizinischen Auswirkungen die positiven Gemütslagen. Das Lachen erfasst die Muskulatur des ganzen Körpers: Der Körper bewegt sich, biegt und krümmt sich. Allein in der Gesichts- und Atemmuskulatur werden mehr als hundert Muskeln engagiert. Der Puls steigt auf circa 120 Schläge pro Minute, die Arterien weiten sich, der Blutdruck sinkt, die Lungenflügel dehnen sich, die Bronchien werden durchlüftet, der Gasaustausch wird erhöht. Die tiefere Atmung fördert die Sauerstoffversorgung der Körperzellen, die Muskulatur wird entsprechend besser durchblutet, die Verbrennungsvorgänge werden befördert und die Darmtätigkeit wird stimuliert. Noch bis zu einer Dreiviertelstunde nach dem Lachen bleibt der Muskeltonus niedrig.
Das Lachen baut stressbedingte Anspannung zurück, was die erhöhten Werte der Stresshormone (Adrenalin, Cortisol) auf das Normalmaß zurücksinken lässt, das Immunsystem abgebremst wird und weiter effektiv arbeiten kann. Auch die Schmerzempfindlichkeit bleibt vermindert, was vermutlich mit der Ausschüttung von sogenannten Endorphinen zusammenhängt. Aktiviert werden die Immunzellen – T-Lymphozyten und T-Helferzellen –, die u.a. bei der Abwehr von Krebs von Bedeutung sind. Bei Allergikern vermindert das Lachen Hautreizungen. Die Muttermilch von lachenden Müttern enthält eine Extraportion von Melatonin, eines Hormons, das das Allergierisiko von gestillten Babys senkt. So werden heute durch die sogenannte Lachtherapie unterschiedliche Krankheiten wie z.B. Herzkranzgefäßverengung, Muskelverspannung, Krebs sowie Schmerzen und Depression angegangen. Bei Schlaganfall-Patienten gelingt es, den Blutdruck durch Lachen wesentlicher zu senken als durch Bewegungstherapie. Um das gesundheitsfördernde Potential von Heiterkeit, Lachen und Humor auszuschöpfen, ist ein neuer Wissenschaftszweig entstanden, die sogenannte Gelotologie (Titze 2005).
An einem konkreten physiologischen Parameter wird seit einigen Jahren die Wirkung von positiven und negativen Emotionen medizinisch erfassbar. Es sind bildlich wie akustisch präzise darstellbare Veränderungen der Herzschlagfrequenz, die sogenannte Herzfrequenzvariabilität. Sie drückt die phasische Steuerung des Herzrhythmus durch das vegetative Nervensystem aus. In diesem Metarhythmus des Herzens spiegelt sich die einfache Rhythmik des Herzschlags, des Atems, des Blutdrucks und anderer Rhythmen, die Anspannungs- und Beanspruchungszustände sowie die emotionale Bewegung des Menschen. Es wurde festgestellt, dass bei positiven Gefühlen wie Dankbarkeit, Liebe, die mit dem emotionalen Zustand der Freude verwandt sind, eine messbare Synchronisation der Rhythmen von Herz und Atmung erfolgt. Diese Balance zwischen Atmung und Herzschlag wird bei Hetze ("Stress"), Ärger oder Angst chaotisiert, die auch mit vermehrten Ausschüttungen von Stresshormonen einhergehen. Langfristig gestörte Rhythmen führen zu schweren Erkrankungen wie Diabetes oder Herzinfarkt und zu erhöhter Krebsrate. In den USA werden zunehmend Forschungen unternommen, um festzustellen, inwieweit eine ausgeglichene Herzfrequenzvariabilität durch spezielle Übungen, Techniken und therapeutische Interventionen erreichbar ist.
Zum Autor:
Prof. Dr. Tomáš Zdražil war Klassenlehrer in Tschechien. Er ist Dozent an der Freien Hochschule Stuttgart.
Literatur:
D.D. Danner, D.A. Snowdon, W.V. Friesen: Positiv emotions in early life and longitivity: Finding from the nun study. In: Journal of Personal and Social Psychology 80/ 2001, S. 804-813
B.L. Frederickson & R.W. Levenson: Positiv emotions speed recovery from the cardiovascular sequelae of negativ emotions. In: Cognition an Emotion 12/ 1998, S. 191-319
D. Goleman: EQ. Emotionelle Intelligenz. München 1997
G.V. Ostir, K.S. Markides, S.A. Black & J.S. Goodwin: Emotional wellbeing predicts subsequental functional independence and survival. In: Journal of the American Geriatric Society 48/ 2000, S. 473-478
M. Titze: Therapeutischer Humor. Grundlagen und Anwendungen. Frankfurt a. M. 2005.
K. Zierer: Prinzip Freude: Jugendliche haben das Recht auf Unbeschwertheit. München 2020