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Schule und Gesundheit

Karin Michael |

Eine Reflexion über den status quo in Bildungseinrichtungen.

Wir wissen durch zahlreiche Studien und Berichte, wie sehr Kinder und Jugendliche an der Corona-Krise gelitten haben und noch leiden. Die nun deutlich hervortretenden Folgeerscheinungen wie Übergewicht, Mediensucht, Ängste und Depressionen gab es jedoch in geringerem Ausmaß schon vor dieser Zeit. Aber wir können diese Krise zum Anlass nehmen, Schule und Gesundheit grundlegend und kritisch neu zu denken. Was brauchen Kinder wirklich, für eine gesunde Entwicklung?

Aktuelle Befunde

In der ärztlichen Sprechstund oder in Beratungsgesprächen an Schulen treten aktuell folgende Befunde in den Vordergrund:

Körperliche Folgen:

  • Gewichtszunahme und Muskelabbau durch fehlenden Sport,
  • vereinzelt aber auch gegenteiliges Bild bei Anorexia nervosa
    (Magersucht, Anstieg um ca. 25%);
  • Blässe, Vitamin D-Mangel
    (insbesondere bei Jugendlichen, die nicht mehr vor die Tür gehen.)
     

Funktionale Störungen:

  • Rhythmusverlust durch fehlende Tagesstruktur,
  • Schlafstörungen,
  • Adynamie (Schwäche durch Bewegungsmangel),
  • Häufung von Enuresis (Einnässen),
  • Enkopresis (Stuhlschmieren und Einkoten),
  • Kopf- und Bauchschmerzen
     

Seelische Nöte:

  • Frustration, Einsamkeit, Angst,
  • Suchtverhalten (insbesondere Internet-gaming-disorder),
  • Zwangsstörungen bis hin zu Depressionen und Suizidalität.
  • Ausgrenzung, Polarisierung, Denunziation und Aggression
    (oft von Erwachsenen gefördert).
     

Entwicklung der Persönlichkeit & Biographie:

  • Perspektivlosigkeit, Schulabbruch,
  • teilweise existenzielle Verunsicherung
    (z.B. wenn Eltern arbeitslos wurden),
  • Mangel an Begegnung, an Gegenüber,
  • biographische Stagnation.

Es mangelt aber noch an Ideen, wie man die Lage der Kinder und insbesondere der Jugendlichen wirklich verbessert und heilt. – Was brauchen Kinder und Jugendliche jetzt? Woran werden sie gesunden?
Wenn in den letzten Monaten ein Kind strahlend und glücklich mit roten Wangen nach Hause kam, dann war es bestimmt nicht in der Schule. Es war draußen im Wald, auf dem Hof, reiten, klettern oder schwimmen im See und hat sich bewegt.
Während Ängste, Zwänge, Depressionen, aber auch Aggressionen und Unruhe um sich greifen, ist das ordentliche Stillsitzen im Klassenzimmer allenfalls geeignet, die Symptome zu verschärfen oder einen endgültigen Rückzug oder gar Verweigerung zu provozieren.
 

Wagen Schule neu zu denken!

Was kann man alles nach draußen verlegen? Sollten statt einer, eher drei Klassenfahrten im Jahr stattfinden? Mehr Wanderungen, Kanutouren, Umweltprojekte, Gartenbau und Bienen, Schulhof- und Raumpflege ... Lassen sich nicht auch die Sprachen, Geschichte, Chemie, Physik, Biologie, Geographie und Deutsch gut mit solchen Tätigkeiten und Erlebnisräumen verbinden? Wäre es nicht auch an der Zeit, Abschlussprüfungen endlich abzuschaffen und stattdessen für Aufnahmeprüfungen zu plädieren? Sozial-emotional aufbauend und begeisternd wirken gemeinsame Unternehmungen, Musikprojekte und Theater.

Wie können wir die Kinder und Jugendlichen vom Computer und Handy weglocken. Sie brauchen das Angebot zu echten Begegnungen, "gefühlten" Kontakten, damit wir der virtuellen Welt durch analoge Angebote Konkurrenz machen können. Insbesondere Jugendliche brauchen die Erfahrung selbstbestimmten Handelns und der Selbstwirksamkeit, der Verantwortungsübernahme und Raum, eigene Zukunftsvisionen entwickeln zu können.

Wir brauchen einen "Ideen-Pool" und ein freies Neu-Denken von Schule. Schicken Sie uns Ihre besten und schönsten Ideen für eine gesunde Zukunft unserer Kinder.

Kontakt


Zur Autorin:
Dr. med. Karin Michael ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Kindergarten- und Schulärztin und Co-Autorin der Kindersprechstunde.