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Kritik an Digitalisierung in Schulen nimmt zu

| Redaktion

Von "Tablet-Wahn" und "Verdummung" durch Digitalisierung ist in deutschen Medien neuerdings die Rede.

Die "Süddeutsche Zeitung" veröffentlichte am 19. Januar 2024 einen Artikel des Augsburger Professors für Schulpädagogik Klaus Zierer, der darauf hinweist, dass die wenigen positiven Effekte des Technikeinsatzes in Schulen (vor allem Grundschulen) von negativen bei weitem überlagert werden. Kognitive Leistungen wie Lesen und Schreiben, die Gesundheit und psychische Entwicklung der Kinder im Allgemeinen sowie ihre körperliche Aktivität und ihr Sozialverhalten werde durch Smartboards, Tablets und Co. beeinträchtigt. Zwar gehörten digitale Medien mittlerweile zum Alltag der meisten jungen Leute, aber allein daraus lasse sich kein positiver Effekt auf Lernen und Bildung ableiten.

Zierer beruft sich bei seiner Kritik auf Publikationen des schwedischen Karolinska-Instituts, auf den globalen Bildungsbericht der UNESCO und auf die neueste PISA-Studie.

Zu unterscheiden ist laut Zierer auch zwischen Lernen und Bildung:

"Bildung ergibt sich nicht automatisch aus Lernen."

Während digitalen Medien, je nachdem, wie sie eingesetzt werden, unter Umständen gewisse positive Effekte auf das Lernen abzugewinnen sind, gilt dies nicht von der Bildung. Bildung hat mit Denken, Fühlen und Wollen, mit dem Zusammenspiel der drei Seelenkräfte im Handeln zu tun. Hier sind vor allem die schädlichen Auswirkungen digitaler Medien auf die in Bildung Begriffenen zu verorten: "Ablenkungsherde, mögliches Suchtverhalten" und digital induzierte "Depressionen", Mobbing.

Der Erwerb von Medienkompetenz ist lang und mühselig, sie bedeutet nicht nur die Fähigkeit, einen Touchscreen zu bedienen oder Instagramvideos zu posten, sondern – vor allem – den verantwortungsvollen Umgang mit den gebotenen Möglichkeiten, sowohl gegenüber sich selbst als auch gegenüber anderen. Eine "pädagogisch vernünftige Digitalisierung" räumt dabei der Pädagogik auf jeden Fall Priorität vor der Technik ein, so Zierer.

Der "Kölner Stadtanzeiger" berichtete am 26. Januar über die "Schul-Debatte in Nordrhein-Westfalen", unter der Überschrift "Tablets im Unterricht machen Kinder dümmer". Auch hier wird auf die skandinavischen Bildungsexperten hingewiesen, die das überraschend schlechte Abschneiden der ehemaligen Vorzeigeländer bei der jüngsten PISA-Studie darauf zurückführen, dass Schweden und Finnland es mit der Digitalisierung übertrieben hätten. Zitiert wird Torkel Klingberg, ein Mitautor der Studie des Karolinska-Instituts: "Je mehr eine Schule ihren Unterricht auf Internet und Computer stützt, desto schlechter die Leistung der Kinder. Haupterkenntnis der Forscher ist, dass die digitalen Werkzeuge die Konzentration und das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigen."

Während die Kultusministerkonferenz noch immer die Arbeit mit Bildschirmmedien schon in der Kita und Informatikinhalte in der Grundschule empfehle, forderten inzwischen "40 führende deutsche Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zusammen mit Kinder- und Jugendärzten von den Kultusministern der 16 Länder ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen", so der Kölner Stadt-Anzeiger. "Die wissenschaftliche Erkenntnis sei inzwischen, ›dass Unterricht mit Tablets und Laptops bis zur 6. Klasse die Kinder nicht schlauer, sondern dümmer macht‹", wird der Medienpädagoge Professor Ralf Lankau, einer der Unterzeichner des Moratoriumsappells, zitiert.

Auch im Kölner Stadtanzeiger kommt Klaus Zierer, "renommierter Mitautor der Hattie-Studie" zu Wort:

"Wir digitalisieren das ganze Bildungssystem mit Milliarden digitaler Geräte durch, ohne die empirische Evidenz zu beachten, was wirklich sinnvoll ist und ab welchem Alter".

Quellen:

Süddeutsche Zeitung

Kölner Stadtanzeiger